5 Fragen an ... Johannes Riegler

Von PAULA KLÖCKER erstellt am 05.07.2022

„Es ist ganz wichtig, dass man Formate und Programme entwickelt, die wirklich spannend und relevant sind.“ Johannes Riegler

In einem Gespräch mit Johannes Riegler erzählt er Pia und Paula über seine Arbeit vor und während Corona und gibt spannende Einblicke in den Alltag international/europäisch koordinierter Urban Living Labs.

Johannes Riegler arbeitet seit mehr als zehn Jahren bei JPI Urban Europe, ein europäisches Forschungs- und Innovationsprogramm, das sich die urbane Transformation zur Aufgabe gemacht hat und mithilfe der Förderung von Urban Living Labs sowie Kapazitätenaufbau dazu beiträgt, Städte klimaresilient, nachhaltig und robust zu gestalten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf einer Einbindung vieler verschiedener Stakeholder, die in gemeinsamen Dialogen, Experimenten und Workshops für eine grüne Zukunft in Städten arbeiten. Johannes‘ Rolle beschreibt sich als übergeordnet und koordinierend, weshalb er uns einen guten Überblick über die Arbeit von JPI Urban Europe geben kann.

In unserem Gespräch mit Johannes hat uns vor allem die Projektarbeit während Corona im Vergleich zu davor interessiert und welche Lehren aus der Zeit mitgenommen wurden.

„Man kann sich durchaus austauschen, diese Arbeit funktioniert gut. Auch in Bezug auf die co-kreativen Ansätze wird man den Ansprüchen gerecht. Was aber schwierig ist, sind die Coffee Table Talks oder der informelle Austausch. Das Community-Building rundherum, das bei einem normalen Workshop stattfindet, das funktioniert nicht online. Da kann man noch so viel versuchen mit verschiedenen Formaten und Tools, es ist nicht nachhaltig.“

Er erzählt uns, dass JPI Urban Europe auch schon vor der Pandemie innerhalb des Teams viel digital gearbeitet hat. Dadurch, dass es eine europäische Organisation mit vielen Standorten innerhalb Europas ist, gehörte der Austausch über digitale Plattformen schon vor Corona zum Alltag. Allerdings konnten co-kreative Dialoge mit Akteur*innen nicht mehr vor Ort in einer Stadt durchgeführt werden. Diese Workshops wurden schon im Mai 2020 durch online Workshops ersetzt. Aus diesen ersten Experimenten und der Nutzung von unterstützenden online Tools wie Conceptboards, Miroboards, Slido und Mentimenter zeigte sich schnell, dass Austausch und die tatsächliche thematische Arbeit auch gut online durchgeführt werden können. Was aber nicht einfach in die virtuelle Welt übertragen werden konnte, ist der informelle Austausch, der sich bei einem Workshop normalerweise davor oder danach automatisch ergibt, und der ein gewisses Gruppengefühl erzeugt. Zusatzinformationen, Stimmungen und Körpersprache können im online Raum weniger ausgetauscht und vermittelt werden.

„Ich glaube, es ist nichts verloren gegangen. Aber, es ist etwas anderes, wenn ich online jemanden kennenlerne. Zu einem Thema diskutieren und mich dann noch weiter austauschen ist schwierig, wenn man das Zoom Meeting Fenster einfach schließt.“

Als weiteren Vorteil von online Dialogen nennt uns Johannes die Teilnahme von Menschen, die vor der Pandemie seltener an den Workshops teilgenommen haben. Für Leute, die nicht reisen konnten gab es nun die Möglichkeit sich von Zuhause oder vom Büro aus einzuwählen und teilzunehmen. Als Beispiel nennt uns Johannes Stadtverwaltungen aus Zentralosteuropa. Reisekosten werden zwar in vielen Fällen auch von JPI Urban Europe übernommen, gerade um die Lücke zwischen Reisemöglichkeiten von Forschungsorganisationen und lokalen Initiativen zu schließen, die online Formate zeigten aber, dass dadurch eine breitere Masse erreicht werden konnte.

„Es ist ganz wichtig, dass man Formate und Programme entwickelt, die wirklich spannend und relevant sind, wo die Menschen sich gehört fühlen, wo sie beitragen können und am Ende des Tages den Zoomraum verlassen und denken: ja, das war gut, da habe ich was beigetragen, da bin ich jetzt gehört worden.“

Johannes erzählt uns, dass JPI Urban Europe verschiedene Tools und Tricks anwendet, um gute online Workshops organisieren zu können. Zum einen werden die Workshops vorab zu 50% überbucht, da erfahrungsgemäß nur die Hälfte der angemeldeten Teilnehmer*innen auch tatsächlich erscheinen. Die Menschen, die dann online erscheinen, sind, so Johannes, auch gerne und aktiv dabei. Allerdings müssen die Formate dazu stimmen. Dafür holen sie sich meistens eine professionelle Moderation und nutzen je nach Bedarf Miro, Slido, Conceptboard, Mentimeter und weitere Tools. Zudem wurde die Methode eines zuvor ganztägigen Vorort-Workshops mit einem Fragenkatalog mit bis zu 60 Fragen zu einem mehrstündigen Online-Workshop mit 6 essentiellen Fragen minimiert. Offline Methoden können nämlich nicht einfach in online Formate übernommen werden. Johannes betont, dass gute online Workshops mehr Vorbereitung brauchen als offline Workshops.

Auch wenn JPI Urban Europe sehr schnell auf digitale Formate umstellen konnte, sieht Johannes in der realen Umsetzung noch Verbesserungspotenzial. Gerade in Bezug auf die Motivation von zivilgesellschaftlichen Gruppen ging der Wechsel von online und offline zu schnell, sodass nicht alle Akteur*innen gleichermaßen mitgenommen werden konnten.

„Ich glaube, dass viel Potential nicht ausgeschöpft werden konnte, weil der Shift von physisch zu digital zu schnell war.“

Zurück zur Normalität?

In Zukunft sollen hybride co-kreative Workshops organisiert werden, damit das Vertrauen in einer Gruppe, trotz online Formaten, hergestellt werden kann. Für die Arbeit bei JPI Urban Europe steht fest, dass sich die Arbeit mit und durch Corona langfristig verändert hat. Workshops mit 40-100 Teilnehmer*innen vor Ort werden nur mehr eingeschränkt möglich sein, weshalb auf hybride Formate zurückgegriffen werden soll.

„Wir sollten das Experimentieren als Teil des Entwicklungsprozesses oder der städtischen Governance machen.“

Was die Pandemie aber eindeutig gezeigt hat: Wie schnell Transformationsprozesse in Stadträumen passieren können. Johannes schließt aus dieser Erfahrung, dass Experimente also auch großskaliger funktionieren können, sie aber auch sehr schnell wieder zum Status-quo zurückkehren können. Es sei also wichtig Projekte permanent im Blick zu haben, Motivation und Ergebnisse immer wieder neu zu finden und sich vor Augen zu führen, um eine nachhaltige Transition zu erreichen.