5 Fragen an ... Daniel Lang

von PAULA KLÖCKER erstellt am 01.04.2023

In einem Gespräch mit Daniel Lang erfahren wir, wie er während der Pandemie in Reallaboren weitergearbeitet hat, was seine Gedanken zu Inklusivität und Diversität dabei sind und was sich für die zukünftige Reallaborarbeit verändert hat.

Welche Rolle Inklusivität bei Daniel in der transdisziplinären Forschung bisher gespielt hat, wie experimentfreudig die Leuphana Uni während der Pandemie war und was Reallabore aus der Pandemie lernen konnten erfahrt ihr in diesem Beitrag!

 Portrait Bild von Daniel LangDaniel Lang ist seit November 2022 als Professor für Reallaborforschung am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) tätig und unterstützt die Gestaltung eines der vier neuen Reallabore im Rahmen der Exzellenzuniversität am KIT. Der Fokus dieses neuen Reallabors liegt auf dem autonomen Fahren im Mobilitätssystem der Zukunft. Eine weitere Aufgabe seiner Professur ist, eine Harmonisierung der Reallabor-Methodologie und Vergleiche zwischen unterschiedlichen Reallaboren voranzubringen. Bevor er zu uns ans ITAS kam und nach seinem Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH in Zürich, war er zeitweise Dekan der Fakultät Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität in Lüneburg und arbeitete dort als Professor für transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschug, u.a. in Reallaboren. Daniel Lang war wissenschaftlicher Projektleiter des Reallabor Lüneburg 2030+, das im Rahmen des Wettbewerbs Zukunftsstadt in den letzten acht Jahren gestaltet wurde. Zudem arbeitete er bei der Begleitforschung der ersten 14 Reallaboren in Baden-Württemberg mit. Die Themen Transdisziplinarität und Nachhaltigkeit in verschiedenen Bereichen waren schon immer seine Interessen und Schwerpunkte, weshalb er als Gesprächspartner für unseren Blog und unsere Arbeit von großer Bedeutung ist.

1. Inwiefern hast du dich bereits mit den Themen Inklusivität und Diversität von Reallaboren beschäftigt und wie hat die Pandemie die Arbeit von Reallaboren in Bezug darauf betroffen und verändert?

„Das Thema Inklusivität und Diversität hat uns in der Forschung immer schon
begleitet, ohne dass es wirklich im Kern Gegenstand der Forschung war.“

Das ist eine sehr spannende Frage. Ich bin kein Inklusionsforscher und habe Inklusion nie explizit als Forschungsfrage formuliert. Es ist aber im Bereich Transdisziplinarität und Reallaborforschung eine Frage, die uns als Reallaborforschende und transdisziplinär forschende Menschen immer beschäftigt und immer umtreibt. So sehr wir so viele Menschen wie möglich an transdisziplinären Prozessen teilhaben lassen wollen, schließen wir immer auch Menschen aus. Insofern hat mich das Thema Inklusivität und Diversität in der Forschung immer schon begleitet. Es wird jetzt aber auch stärker explizit Teil der Forschung im Rahmen des Verbundvorhabens td Academy, welches sich mit Kontextabhängigkeiten beschäftigt und da spielt die Frage nach Faktoren, die transdisziplinäre Prozesse beeinflussen, eine wichtige Rolle – welches Wissen in transdisziplinären Forschungsprozessen vorhanden ist und welches nicht, wie können wir als Projekt wirklich was daran verändern und wo ist es gar nicht möglich, dass wir neue Wissensformen integrieren. Insofern ist es daraus vermehrt auch explizit ein Thema geworden.

Der Einfluss der Pandemie auf transdisziplinäres Arbeiten hat sich stark in der Arbeit des Projekts Lüneburg 2030+ gezeigt. Die Zukunftsstadt hat drei Phasen. Zuerst die Visionsentwicklung, dann die Entwicklung von Maßnahmen und als dritte Phase die Reallaborphase. Der Start der dritten Phase ist mit dem Beginn der Pandemie quasi zusammengefallen. Anfang 2020 hatten wir die erste Veranstaltung und dann kam ja schon relativ zügig die Pandemie und das hat bei uns zu einem Umplanen geführt. Vieles was eigentlich mal geplant war, beispielsweise Realexperimentforen, wo sich die Realexperimente treffen und austauschen, konnte einfach nicht in der geplanten Form stattfinden. Wir haben so auch relativ viele der Menschen, die eigentlich mal bei den Reallaboren dabei waren, verloren durch die Pandemie. So haben sich neue Konstellationen ergeben, allerdings nicht nur durch die Pandemie, auch weil die Phase zwischen zweiter und dritter Phase sehr lang war.

„Bei manchen hat das besser oder schlechter funktioniert, aber durch die Pandemie hat sich der Kreis derjenigen, die wir ursprünglich angesprochen
hatten nochmal reduziert. Die Inklusivitäts- und Diversitätsbestrebungen wurden eher eingeschränkt.“
Bei manchen hat das besser oder schlechter funktioniert, aber durch die Pandemie hat sich der Kreis derjenigen, die wir ursprünglich angesprochen hatten, nochmal reduziert. Die Inklusivitäts- und Diversitätsbestrebungen wurden eher eingeschränkt. Ich glaube, das war auf der einen Seite pandemiebedingt, durch Faktoren wie Internetzugang und Verbreitung der Informationen zu einzelnen Aktionen auf sozialen Medien, aber auf der anderen Seite hat es auch eine Rolle gespielt, welchen Aufwand das Team des Reallabors selbst betrieben hat. Die Pandemie hat ja mit uns allen was gemacht und viele Menschen auf sich selbst zurückgeworfen und zu Unsicherheiten geführt. Und genau das hat sich dann auch auf die Strukturen des Reallabors ausgewirkt. Bei uns hat sich auch das Team nochmal neu zusammengesetzt, was dann wiederum die Zusammenarbeit verändert hat.
„Wir hatten z.B. einen Radlieferservice als ein Experiment geplant und konnten diesen auch während der Pandemie durchführen.
Einzelhändler*innen konnten ihre Läden zeitweise nicht mehr öffnen und somit vom Lieferdienst profitieren.“

Was spannend ist, und da kann man streiten wie inklusiv das ist, wir hatten z.B. einen Radlieferservice als ein Experiment geplant und konnten diesen auch während der Pandemie durchführen, u.a. da Einzelhändler*innen ihre Läden nicht mehr öffnen konnten. Da gab es eine Aktion „das Rad bringt’s“ zu Weihnachten, wo die Weihnachtseinkäufe gebracht wurden. Da war es wirklich spannend zu sehen, wie andere Akteur*innen noch stärker mit ins Reallabor gekommen sind. Alles in allem, hat die Pandemie es nicht einfacher gemacht. Sie hat aber, um nochmal was Positives zu sagen, zu einem Gefühl für das Potential des Experimentierens geführt, aber dieses konkrete Reallabor war sicherlich von der Pandemie stark betroffen.

„Alles in allem, hat die Pandemie es nicht einfacher gemacht. Sie hat aber, (…) zu einem Gefühl für das Potential des Experimentierens geführt.“

Gibt es den Radservice noch?

Zum Radservice gab es geteilte Meinungen, aber es gab zwei kleine Unternehmen, die sich das daraufhin zu eigen gemacht haben und dann mit dem lokalen Lüneburg City Management, das ist ein lokaler Zusammenschluss von Einzelhändler*innen, letztes Jahr an Weihnachten nochmal eine Aktion gemacht haben. Da haben sie Päckchen verteilt und führen das in gewisser Art und Weise tatsächlich weiter. Das finde ich total schön.

2. Wie habt ihr die Methoden/Formate während der Pandemie in digitale Formate übergeführt?

„Die Konferenzwoche musste umgestellt werden, von Präsenz auf online.
Dafür wurde ein Studio auf dem Campus aufgebaut und daraus hat sich dann als ein Format das Zukunftsstadtmagazin entwickelt.“

Da fing die Kreativität an und auch generell musste die Leuphana Universität sich da umstellen. In der Startwoche für die Erstsemester Studierenden müssen diese immer ein kleines Projekt über die zukünftigen Fachbereiche hinweg durchführen und dann arbeiten sie in „Wissenschaft transformiert“, in einem Projekt über das ganze Semester hinweg zusammen. Am Ende gibt es eine Konferenzwoche. Diese Konferenzwoche musste umgestellt werden, von Präsenz auf online. Dafür wurde ein Studio auf dem Campus aufgebaut und daraus hat sich dann als ein Format das Zukunftsstadtmagazin entwickelt. Dieses Zukunftsstadtmagazin hat während der Pandemie in jeder Startwoche und bei jeder Konferenzwoche wie ein Fernsehmagazin stattgefunden. Dort wurden die Experimente vorgestellt und andere Inhalte und Projekte, mit Bezug zu Lüneburg 2030+, eingebunden. Das war ein ganz schönes Format, weil dadurch das Reallabor zumindest ein bisschen greifbarer gemacht werden konnte für die Bürger*innen in Lüneburg. Dann gab es die Meetings, die online durchgeführt wurden in Experimentiergruppen und im Begleitgremium vom Reallabor. Da hatten wir mit den üblichen Herausforderungen zu kämpfen, die wir alle kennen aus dieser Umstellung auf online Zusammenarbeit. Das Zukunftsstadt-Magazin war eine total schöne Entwicklung aus der Pandemie. Es war ein in sich sehr schlüssiges Format, das auch auf YouTube hochgeladen wurde, so dass es Menschen auch zu einem späteren Zeitpunkt nochmal anschauen konnten.

Wie sah das konkret aus?

Das war wirklich wie eine moderierte Fernsehsendung. Das Format war in der Regel so, dass es ein Thema gab und dazu eine*n externe*n Experten*in, der*die seine*ihre Inspiration eingebracht hat und dann gab es eigentlich immer ein oder zwei Experimente die vorgestellt wurden, wo dann teilweise Studierende aber auch Akteur*innen aus der Stadt mit in der Studiosituation waren und ein Gespräch über die Experimente führten. Meistens gab es dann am Ende noch ein Blick über den Tellerrand hinaus, wo man in eine andere Zukunftsstadt geschaltet hat oder in eine andere Stadt, die zu diesem Themenfeld bspw. eine spannende Initiative gegründet hat. Das war ein total interessantes Format, weil es uns gezwungen hat nochmal neu zu denken und neu zu überlegen, wie man die Experimente präsentieren kann.

3. Beobachtest du eine Veränderung in der Beteiligung während der Pandemie im Vergleich zu davor?

„Die Entwicklung durch die Pandemie ist ein bisschen Experiment abhängig, aber im Grunde wurden
alle Experimente von der Pandemie beeinflusst und sind anders geworden, als sie geplant waren.“

Genau das wäre jetzt etwas, was man in der Evaluation evtl. sehen wird und ich glaube da haben sich ein paar Dinge überlagert, bei denen ich gar nicht weiß, wie stark man das auf die Pandemie zurückführen kann. In unserem Zukunftsstadt-Projekt haben wir blinde Flecke entdeckt. Zum Beispiel hat der Integrationsbeirat irgendwann gesagt „Hallo, wo ist unsere Stimme in diesem Prozess?“ Sie waren zwar im Begleitgremium des Projekts vertreten, hatten aber auch Interesse an einer Mitarbeit in der Steuerungsgruppe von der Zukunftsstadt und da weiß ich jetzt nicht, ob das pandemiebedingt war oder nicht. Zum Verständnis: die ersten beiden Phasen des Projekts waren stärker von der Uni gestaltet und in die dritte Phase war die Hauptkoordination des Projekts stark bei der Stadtverwaltung. Das war für uns ein spannender Übergang. Jetzt braucht es, auch mit Blick in die Zukunft und zukünftige Projekte, einen guten Abschluss des Projekts und eine gute Evaluation. Ziel jetzt ist, sich die Experimente nochmal genauer anzuschauen und die strukturelle Ebene des Projekts genauer zu verstehen.

Die Entwicklung durch die Pandemie ist ein bisschen vom jeweiligen Experiment abhängig, aber im Grunde wurden alle Experimente von der Pandemie beeinflusst und sind anders geworden, als sie geplant waren. Der Radservice war eine Planung, die tatsächlich auch in der Pandemie umgesetzt werden konnte. Ein Experiment war das Präventionshaus und das hat sich zum Beispiel mit dem Inklusionsgedanke intensiv auseinandergesetzt und konnte u.a. Schwimmkurse für Menschen mit Migrationshintergrund anbieten. In anderen Bereichen war es wahrscheinlich anders, also ich glaube, das ist wirklich sehr vom Experiment abhängig.

„Reallabore sind ja erstmal etwas, wo man die üblichen Verdächtigen total gut abholt.
Wie in anderen partizipativen Formaten ist es dann schwierig die Menschen mitzunehmen, die nicht zu den üblichen Verdächtigen gehören.“

Der Ansatz von 2030+ war sehr breit gefasst. Es gab ein großes Spektrum von Zukunft der Arbeit über „Bunt wird das neue Grün“ zum Thema Biodiversität in Stadträumen, bis hin zum Radlieferservice, wo lokales Wirtschaften im Fokus liegt. Und so divers wie es ist, so divers gestaltet sich wahrscheinlich auch die Frage, was für einen Einfluss die Pandemie auf Inklusivität und Diversität in den Reallaboren hatte.

Reallabore sind ja erstmal etwas, wo man die üblichen Verdächtigen total gut abholt. Wie in anderen partizipativen Formaten ist es dann schwierig die Menschen mitzunehmen, die nicht zu den üblichen Verdächtigen gehören.

Eine Beobachtung war auch, die Beteiligung stärker vom jeweiligen Format abhängt. Im Begleitgremium haben wir u.a. rückgemeldet bekommen, dass Seniorinnen und Senioren mitgenommen werden sollten und dann die Frage, wie nimmt man sie mit, was ist wichtiger, der Bericht in der Lokalzeitung oder auf Instagram Kanälen und am Ende des Tages ist es beides, aber kann man beides gleichermaßen bespielen.

4. Hat sich aufgrund der Pandemie grundsätzlich was bei Reallaboren verändert?

„Was ich aber wirklich spannend fand und was ich als große Chance betrachte ist die Vernetzung von Reallaboren über Städte hinweg.
In der Hinsicht wurde durch die Pandemie ein Möglichkeitsfenster geöffnet, was ggf. zumindest auf Forschungsebene zu einer neuen Normalität führen kann.“

Ich finde es schwierig das klar zu beantworten. Ich glaube, da braucht es noch ein bisschen Zeit. Also ganz persönlich bei mir wird der Wechsel vom Reallabor in Lüneburg, das durch die Pandemie stark betroffen und trotzdem immer präsent war, hin zu einem Reallabor an einer technischen Uni, wo digitale Formate nochmal eine ganz andere Rolle spielen werden, eine interessante neue Perspektive eröffnen. Deswegen kann ich jetzt noch nicht sagen, ob eine neue Normalität entstanden ist. Was ich aber wirklich spannend fand, und was ich als große Chance betrachte, ist die verstärkte Vernetzung von Reallaboren über Städte hinweg. In der Hinsicht wurde durch die Pandemie ein Möglichkeitsfenster geöffnet, was ggf. zumindest auf Forschungsebene zu einer neuen Normalität führen kann. Ich glaube, wir werden nicht mehr zur gleichen Kultur zurückkommen, wie wir Partizipations- und Austauschformate gestalten. Das wird immer ein navigieren zwischen Hybrid, online und in Person sein. Da wird es kein Zurück mehr geben und das sehe ich positiv.

„Wir werden nicht mehr zur gleichen Kultur zurückkommen, wie wir Partizipations- und Austauschformate gestalten.
Das wird immer ein navigieren zwischen Hybrid, online und in Person sein. Da wird es kein Zurück mehr geben und das sehe ich positiv.“

Ich glaube, es werden nicht mehr alle Austauschformate vor Ort stattfinden und wir sind besser darin geworden zu verstehen, was funktioniert online, was funktioniert nicht online, wo macht ein hybrides Meeting mehr Sinn etc. Und zum Thema Inklusivität und Diversität - ich glaube, das kann auch zu mehr Inklusivität und Diversität beitragen. Das Spektrum an Formaten wie wir in Dialog miteinander treten können wird sich erweitern. Ich hoffe, dass sich da eine neue Kultur entwickelt, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es klappen kann. Aber etwas, was wir in der Reallaborforschung natürlich auch beobachten ist, dass bestimmte Dinge einfach nicht online gehen. Es ist schwierig Vertrauen aufzubauen, oder eine Projektidee gemeinsam zu entwickeln auf Augenhöhe. Es braucht eine Vertrauensbasis, um auf Augenhöhe miteinander zu sprechen und Dinge zu entwickeln und da hoffe ich, dass da nichts verloren geht, dadurch, dass wir am Ende des Tages alles online machen. Im Rahmen einer Begleitforschung haben wir in einem Artikel über Erfolgsfaktoren für Reallaborforschung gearbeitet und diese auch publiziert. Ein Erfolgsfaktor war, einen Ort für das Reallabor zu haben - in sehr relevanter Faktor, im Sinne eines „boundary objects“ für Reallaborforschung, und da bin ich sehr gespannt, wie sich das entwickelt.

„Etwas, was wir in der Reallaborforschung natürlich auch beobachten ist, dass bestimmte Dinge einfach nicht online gehen.
Es ist schwierig Vertrauen aufzubauen, oder eine Projektidee gemeinsam zu entwickeln auf Augenhöhe.“

5. Ein Forschungsschwerpunkt von dir ist ja auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit: Konnte die Pandemie eine Veränderung in der Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen im Bereich der Nachhaltigkeit bewirken? Welche?

„Da hat sich die Pandemie negativ und positiv ausgewirkt. Es gab keine Projekttreffen mehr vor Ort, aber auf der anderen Seite gab es vielmehr Treffen zwischendrin.“

In einem anderen Projekt, das „GLOCULL“ hieß, in dem es um die Ausgestaltung von urbanen Living Labs ging und wie man in diesem Kontext water-food-energy nexus Fragen bearbeiten kann, haben wir mit Kolleg*innen in Südafrika, Niederlande, Brasilien, Amerika und Schweden zusammengearbeitet. Das betraf allerdings eher die Zusammenarbeit in einem internationalen Konsortium und weniger diejenige über verschiedene Disziplinen hinweg. Da hat sich die Pandemie negativ und positiv ausgewirkt. Es gab keine Projekttreffen mehr vor Ort, aber auf der anderen Seite gab es viel mehr Treffen zwischendrin.

Um diese Frage zu beantworten braucht es auch noch Zeit, um wirklich zu sehen, wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit sich verändert hat, gerade auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Was für mich klar ist, ist dass Reallabore ein Riesenhebel sind, um Interdisziplinarität zu steigern, aber da würde ich nicht den Bezug zur Pandemie sehen. Das Format Reallabor hat an sich einfach ganz viele Anknüpfungspunkte für Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und verschiedene Disziplinen. Interdisziplinarität ist für die „Bubble“ in der ich mich bewege sehr wichtig und wurde auch durch die Pandemie gestützt, aber außerhalb dieser Bubble habe ich noch nicht herausgefunden, ob diese Erfahrungen gleichermaßen gemacht werden. Ich glaube, dass die Argumentationslogik für interdisziplinäre Zusammenarbeit stärker geworden ist und ich glaube es gibt auch eine stärkere Öffnung von Kolleg*innen in diese Richtung. Ob sich das durchsetzt, weiß ich noch nicht. Es gibt bestimmt auch die Tendenz, dass das wieder zurückgeht, also man in den Disziplinen bleibt. Aber ich sehe Anknüpfungspunkte und größere Möglichkeiten, dass man da stärker interdisziplinär zusammenarbeitet. Ich glaube, das führt uns einfach dieses Krisenmoment nochmal vor Augen und, dass Krisen letzten Endes nur aus unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet werden können.

„Ich glaube, dass die Argumentationslogik für interdisziplinäre Zusammenarbeit stärker geworden ist und ich glaube es gibt auch
eine stärkere Öffnung von Kolleg*innen in diese Richtung. Ob sich das durchsetzt, weiß ich noch nicht.“

Es ist auch ein schmaler Grat, es gibt bestimmt viele Reallabore, wo sich die „Hardcore Reallaborforschenden“ sich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen „das ist jetzt auch ein Reallabor?“  

Zusammenfassend: Was sind die zentralen „Learnings“ der Umstellung und was würdest du davon in Zukunft beibehalten?

„Also ich glaube das zentrale „Learning“ ist die Notwendigkeit von Flexibilität, die wir ja in der Reallaborforschung
immer haben, aber die hat nochmal eine neue Dimension gekriegt.“

Also ich glaube ein das zentrale „Learning“ ist die Notwendigkeit von Flexibilität, die wir ja in der Reallaborforschung immer haben, aber die hat nochmal eine neue Dimension gekriegt. Gerade die Flexibilität von Formaten, da würde ich mir wünschen, dass man das beibehält. Ich habe das Gefühl, zumindest teilweise, dass die Reallaborforschenden gerade am Anfang der Pandemie sorgsamer miteinander umgegangen sind. Es gab viel Empathie und ein „verstehen wollen“, wie es der anderen Person geht, in was für einer Situation sie sich befindet. Das würde ich gerne beibehalten und nicht in ein „business as usual“ zurückverfallen. Ich weiß nicht, ob das ein generelles „Learning“ ist, aber ich glaube die Vernetzung zwischen den Reallaboren - wie man zusammenarbeiten und denken kann und das vielleicht auch auf einer regelmäßigeren Ebene. Dasnoch weiter zu kultivieren und da tatsächlich digitale Medien ganz aktiv zu nutzen, sowohl im einzelnen Reallabor als auch dann über die Reallabore hinweg, das fände ich spannend. Und natürlich das Bewusstsein beim Menschen, dass wir die großen Probleme dieser Zeit nur interdisziplinär und transdisziplinär bewältigen können, das würde mich auch sehr freuen wenn das auch weiterhin da wäre. 

„Das Bewusstsein, dass wir die großen Probleme dieser Zeit nur interdisziplinär und transdisziplinär bewältigen können.“